Am 28. Oktober fand eine einzigartige Veranstaltung statt – eine literarische Vorlesung der Werke der Galabov–Schüler… und nicht nur dieser 😉 27 Dichter und Schriftsteller haben ein großes Publikum im Kino „Vlaikova“ mit ihren Essays, Reden, Gedichten und Geschichten für mehr als 3 Stunden unterhalten, aber am Ende war niemand ermüdet – denn nach so viel Kunst fühlte sich jeder munter und lebensbegeistert.
Das Event begann mit einem kleinen Auftritt des Schulchors. Er hat 3 Lieder gesungen – einen orthodoxen Gesang, ein bulgarisches Volkslied und ein feierliches Lied, Teil der romantischen Messe „Messe Breve“ von Leo Delibes – und danach ging es auch schon los.
Das Programm war so gestaltet, dass Lyrik und Prosa sich abwechselten, sodass die Aufmerksamkeit des Publikums maximal gehalten werden konnte. Und das ist den Veranstaltern gelungen, überhaupt war die ganze Veranstaltung sehr gelungen. Die Veranstalter waren nämlich die Mitglieder des Schülerrates, die von ihrer Vorsitzenden Lyuba Nikolova geleitet wurden. Auf Nachfrage, warum sie „Galabov liest vor“ initiiert hat, betonte sie stets, dass das Schreiben schon immer ihre größte Leidenschaft sei und sie den anderen Schriftstellern unter uns die Möglichkeit geben wolle, ihre Werke vorzustellen. Selber hat Lyuba auch ihre Gedichte vorgelesen.
Die Themen der vorgelesenen Werke hatten fast nichts gemeinsam miteinander. Es wurde über alles geschrieben – von der tragischen Romantik des Umstandes, über die Melancholie des Herbstes bis hin zu epischen Erzählungen von dem jungen Schmied und süßen Liebesgedichten. Die auffälligsten Aufführungen waren vielleicht diese von Nikola Popov, der vor 2 Jahren seinen Schulabschluss am Galabov gemacht hat, und von dem berühmten post-modernen Dichter Avgustin Gospodinov, der alle Teilnehmer leidenschaftlich gelobt hat.
Alle 27 Teilnehmer gleichermaßen zu würdigen, war schon eine Leistung. Um die Spannung in der Halle aufrechtzuerhalten, haben die Gastgeber bei der Bekanntgabe des nächsten Vorlesers immer wieder ihre Schlagfertigkeit und ihren Humor unter Beweis gestellt.
Nikolai Marinov hat eine gefühlsvolle Rede gehalten, in der er über die Bedeutung der Kunst gesprochen hat, und davon, wie wichtig es ist, dass wir das Kindliche in uns bewahren.
Er war eigentlich nicht der einzige mit dem Namen Marinov, der auf der Bühne stand und einen großen Eindruck auf das Publikum machte.
Der letzte Vorlesende war nämlich unser Lehrer, Herr Marinov, der mit seinem „Versuch eines Poetry Slams“ alle Konkurrenz ausgelöscht hat (Anmerkung der Redaktion: Er lief dabei als Muttersprachler ganz klar außer Konkurrenz, von einem Auslöschen kann daher keine Rede sein; vielmehr wollte Herr Marinov das Format Poetry Slam selbst live ausprobieren und dabei keineswegs die fantastischen Beiträge der Schüler schmälern).
Auch wenn vorrangig bulgarische Werke dominierten, gab es auch zwei Schülerinnen, die etwas auf Deutsch vorbereitet hatten – zufälligerweise aus der Klasse von Herrn Marinov (11e): Anna-Sophia Stanolova mit ihrem Gedicht „Ein Leben Lang“ und mein bescheidenes Selbst mit dem Sonett „Lodernd“ und persönlich meinem Lieblingsgedicht, das ich geschrieben habe, „Spiegelbild“.
Anna-Sophia Stanolova, Ein Leben lang
Was ich sehe,
ist der Himmel.
Was ich spüre,
ist der Wind.
Keine Grenze
kennt der Taumel,
in den das Herz
langsam versinkt.
Meine Ziele
sind die Sterne.
Meinen Weg
zeichn` ich allein.
Ich lasse Spuren
in dem Wildnis
so Schritt für Schritt
ein Leben lang.
Die besten Freunde
sind mir Fremde.
Die schönen Träume
sind viel zu nah.
Doch spüre ich
in meinem Herzen
die unbeherrschte
wilde Kraft –
weiterzukämpfen,
weiterzuleben.
Yana Stoykova, Lodernd
Die Schwarze Perle in Flammen
Halte ich in meiner Hand.
Ein Bild der Welt in weißer Ramme
Himmel, auf der Erd‘ erfand.
Die ist gleich tödlich und so heiß-
Brennend, blühend Pfirsichbaum.
Ein heller Mensch, ein heller Geist
Ablehnt dringend meinen Traum.
Wir werden abends sicher sterben-
Gäbest du mir deine Hand?
Mit Blut den Himmel rot zu färben-
Himmel, wie ich dich genannt.
In der Nacht brennt deiner Feuer
An dem Tag wacht Ungeheuer
Yana Stoykova, Spiegelbild
Du bist nur
ein Spiegelbild
in dem Fenster des hellen Zuges.
Bade mich in Sonnenlicht,
die kalten Strahlen,
Die du funkelst.
Es ist hier
ein bisschen kalt
und weiter- riecht wie etwas Grünes.
Leider nicht
Nach Blumen Art,
den warmen Blüten, die du suchest.
Siehe mal…
die sind doch da!
Der Ferne nah, die grünen Felder!
Bahnfleck Farben,
gelber Strahl,
oder das Stadtschild, das du suchest…
Ich verfolge
Deinen traumverlor´nen Blick
Zu einer Welt der Anmut:
Zierlich sicher Tannen so die Tiefe deiner Augen;
Pastelfarbig himmlisch Baldachin
deckt mit Wolken, dein Gedanke
Ist ein Tempel und ich will dahin;
Und die Leute und deren Häuser,
traurig laufen hin und her-
fernes Schicksal knapp Bedeutung
fernes Schicksal deines ist unfair:
als falsch die ganze Schönheit gilt,
denn du bist nur ein Spiegelbild
in dem Fenster des hellen Zuges.
Bremen kommt uns näher bald.
Du nimmst den Rucksack weg willst gehen.
Leeres Fenster, nächster Halt:
‘ne kleine Frau, und zwar sehr alt;
ein alter Mann, besorgt und kahl;
ein bunter Bub’ mit tollem Schal,
sie nehmen deinen Platz,
ein neues Spiegelbild.
Und jedes mal
habe ich Angst
deine Augen zu treffen.
Strahlende Siegerinnen am Ende des Abends waren im Übrigen Liliya Yakimova aus der 11g und Kalina Pangeva aus der 12g, die das Publikum und die fachkundige Jury gleichermaßen zu beeindrucken wussten und zurecht die Auszeichnungen für die beste Lyrik respektive für das beste Prosastück einheimsten. Doch auch diejenigen, die leer ausgingen, müssen nicht traurig sein. Jeder, der den Mut aufgebracht hat, um dort oben im Scheinwerferlicht einen eigenen Text vor großem Publikum vorzutragen, hat sich den warmen Applaus redlich verdient.
Für die Zukunft bleibt dieser Abend aber nicht nur in Erinnerung – unsere Schülerzeitschrift SWW Online hat eine spezielle Folge mit den meisten Werken veröffentlicht – die anderen werden bald online auf ihrer Seite verfügbar sein. Auch auf dem YouTube-Channel der Zeitschrift werden Videos mit den Lesungen erscheinen – versprochen! Also ist es nicht schlimm, wenn ihr selbst nicht teilnehmen konntet.
Letzten Endes war der Event unheimlich inspirierend. Mehrere Freunde, Zuschauer und Teilnehmer haben mir gesagt, sie würden sich für immer an diesen Abend erinnern.
Eine Reportage von Yana Stoykova, 11e
Fotos von Simona Belenska, Iva Popova und Damyan Doumanov
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