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09.04.2014
Yasna und Sofia auf dem Gedenkstättentreffen in Kreisau 2014
Yasna und Sofia bei ihrem Vortrag in Kreisau 2014

Yasna und Sofia bei ihrem Vortrag in Kreisau 2014

Sehr geehrte Frau Ganz,

vom 12.-15. März 2014 haben wir im polnischen Kreisau/Krzyzowa unser jährlich stattfindendes Gedenkstättentreffen, auf dem sich Museen und Gedenkstätten zu den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts aus ganz Europa zusammenfinden und miteinander ins Gespräch kommen. Das Treffen selbst findet am historischen Ort, in den Räumen der Gedenkstätte Stiftung Kreisau (www.krzyzowa.org.pl) statt. Informationen zu den bisherigen Treffen finden Sie hier: http://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/internationales-gedenkstaettentreffen-kreisau-3169.html

Während des Treffens bieten wir immer die Möglichkeit an, Projekte vorzustellen, die für alle interessant sind. Bei der Planung dieses „Forums historisch-politische Bildung“ in diesem Jahr habe ich sofort an Ihre Schüler gedacht, die uns mit ihrer Präsentation der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Denkmal in Sofia ungemein beeindruckt haben. Kurz: Wir würden die Schüler gerne einladen, am Gedenkstättentreffen teilzunehmen und ihre Präsentation dort auf Deutsch vorzustellen.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße aus Berlin

Ihr

Markus Pieper

 

Yasna Mindilikova und Sofia Vasileva sind dieser Einladung nachgekommen und haben ihr Projekt in Kreisau vorgestellt.

Yasna & Sofia in Kreisau 2014

Yasna & Sofia in Kreisau 2014

Vortrag über Denkmäler in Sofia

Vortrag über Denkmäler in Sofia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bericht von Yasna und Sofia:

Im Juni 2013 kamen Teilnehmer aus der Deutschen Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur an unser Gymnasium zu Besuch. Wir (Sofia Vasileva und Yasna Mindilikova, 12d) und noch drei Klassenkameraden durften unser Projekt über das bemalte Denkmal der Sowjetarmee in Sofia, mit dem wir den 2. Preis beim Wettbewerb der politischen Bildung gewonnen haben, auch vor dieser Kommission vorstellen. Im Februar bekamen wir nun von Herrn Pieper eine Einladung zum Gedenkstättentreffen in Kreisau, Polen. Die war von der Gedenkstättenstiftung Kreisau, der Evangelischen Akademie zu Berlin, der Bundesstiftng zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem Europäischen Netzwerk „Erinnerung und Solidarität“ organisiert.

Thema des Gedenkstättentreffens war „Mythos Widerstand?“. Es ergab sich die Frage, welche Rolle die Erinnerung an Opposition und Widerstand gegen Diktaturen in den einzelnen Staaten in Europa spielen und wie sich das Gedächtnis darüber wandelt. Das Treffen dauerte drei Tage und bestand aus Beiträgen aller Art – natürlich mit dem Thema Widerstand verbunden. Diese wurden von Professoren, Museumsbeamten, Bibliothekaren und Ehrenamtlichen gehalten. Die Länder Russland, Deutschland, Polen, Frankreich, Litauen und mit uns auch Bulgarien waren vertreten. Dieses breite Angebot an Nationalitäten gab uns eine globale Sicht auf allgemeine gesellschaftliche Probleme, wir hatten die Möglichkeit, unterschiedliche Meinungen und menschliche Erfahrungen zu hören. Im Seminar herrschte eine gemütliche Atmosphäre, nach jedem Vortrag wurden Fragen gestellt und diskutiert. Z. B. „Wie vermittelt man Geschichte in Museen durch interaktive und innovative Methoden?“, „Welche Bedeutung hat Widerstand bei einer Diktatur?“, „Soll man Gedenkstätten einrichten und wozu brauchen wir sie?“. So konnte man Ideen und Ansichten aus anderen Ländern austauschen und Kontakte knüpfen.

Das zum zwölften Mal veranstaltete ost-westeuropäische Gedenkstättentreffen war an Mitarbeiter von Gedenkstätten und Museen und an Personen, die sich in Projektarbeit an Schulen beschäftigen, gerichtet. Das Gedenkstättenseminar hatte als Ziel einen gesamteuropäischen Erfahrungsaustausch von Vertretern der historisch-poitischen Bildungsarbeit sowie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Themen „Geschichte des Nationalsozialismus“, „Verfolgung europäischer Juden“, „Stalinismus und kommunistische Diktatur“ und „andere Formen totalitärer Gewaltherrschaft und Widerstand dagegen“.

Insbesondere Gedenkstätten über Verbrechen an der Menschlichkeit und über die Opfer sind die wesentlichen Komponenten des Widerstandes gegen die dort geschehene Gewalt und Rechtlosigkeit. Die Darstellung von Unrecht wird durch Beispiele für vorbildliches Verhalten, aktive Gegenwehr und gegenseitige Solidarität ergänzt. Der Verfolgung aus politischen, rassischen, religiösen oder sozialen Gründen wird nachträglich Sinn verliehen. Besonders in den kommunistischen Gesellschaften wurden Orte nationalsozialistischer Verfolgung folgerichtig zu Widerstandsmuseen, die sich nach dem Systemwechsel oft in ein nationales Narrativ wandelten.

Wir haben auch das Berghaus von Freza von Moltke, in dem sich die Mitglieder des Kreisauer Kreises versammelt haben, besucht und auch ein Konzentrationslager, was auf uns einen großen Eindruck gemacht hat: man fühlt eine Mischung aus Schreck und Unvermögen, kann nicht glauben was da passiert ist, wenn man sich an so einem Platz befindet. Das löste bei uns natürlich noch einmal die Frage nach der Verantwortung eines jeden Menschen aus.

Hinter widerständigem Verhalten stehen immer die Fragen „Mitmachenoder verweigern?“, „Anpassen oder widersprechen?“. Sie sind auch heute noch aktuell. Die Frage nach dem eigenen Verhalten in einer Diktatur ist eine Frage von Werten und Anstand, von Gewissen und Mut. Diese Fragen sind in einer Diktatur viel schwieriger zu beantworten, weil sie meist mit persönlichen Konsequenzen zusammenhängen. Dennoch ist die Beantwortung dieser Fragen auch für unsere demokratische Gesellschaft von Bedeutung, deshalb ist es sinnvoll und nützlich, solche Gedenkstättentreffen zu organisieren.

In Kreisau mit Markus Pieper, der 2013 bei uns in Sofia war

In Kreisau mit Markus Pieper, der 2013 bei uns in Sofia war

Besuch des Konzentrationslagers Groß-Rosen

Besuch des Konzentrationslagers Groß-Rosen

 

 

Doch wie kam es eigentlich zu diesem Vortrag?
Hier die Vorgeschichte und weitere Projekte:

 

 

 

 

 

 

 

 

Sofia – Berlin – Sofia: Austausch von Kulturen, Wissen und Erlebnissen

Es war des Ende des Schuljahres 2012/13, als unser Gymnasium die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur zu Besuch hatte. Unsere Klasse – damals 11d – hielt dabei einen Vortrag zu Rüdiger von Fritschs Buch „Die Sache mit Tom“, das ebenso von der Zeit der DDR-Diktatur handelt, und als Veranstaltung für unsere Gäste ganz gut passte. Sie waren davon so fasziniert, dass manche von ihnen einige Schüler zum Besuch nach Deutschland einluden. Bei Frau Silvana Hilliger war dies z.B. der Fall und so bekamen wir – Alexandra, Anna und Kristina – die Möglichkeit, im Sommer Berlin zu besuchen und zehn Tage mit der äußerst lieben und gastfreundlichen Familie Hilliger zu verbringen. Unser Aufenthalt war mit vielseitigen Besuchen und Aktionen erfüllt, indem das gesamte Ergebnis nicht nur zum näheren Kennenlernen der Hauptstadt Deutschlands, eine der faszinierendsten Städte Europas, sondern auch zur Erweiterung und Bereicherung unserer Vorstellung von der deutschen Kultur beitrug.

Durch ein von der Gastfamilie geplantes Programm hatten wir die Möglichkeit, den Zauber Berlins, die Mischung von Modernität und reichem historischen Hintergrund zu spüren. Unsere Spaziergänge auf dem Pariser Platz, durch die Innenstadt zum Brandenburger Tor und zum Reichstagsgebäude, auf der Prachtstraße „Unter den Linden“ und der Besuch der Reichstagskuppel waren nur ein geringer Teil davon.

Anna, Alexandra, Kristina in Berlin

Anna, Alexandra, Kristina in Berlin

Anna, Alexandra, Kristina mit Familie Hilliger

Anna, Alexandra, Kristina mit Familie Hilliger

 

 

 

 

Die Freizeit nutzten wir für Ausstellungs- und Gedenkstättenbesuche, wie die Brotfabrik am Prenzlauer Berg, eine Ausstellungseröffnung mit bulgarischen Künstlern oder die berühmte East Side Gallery. Der Besuch der Berliner-Mauer-Gedenkstätte war auch eine Möglichkeit, unsere Kenntnisse über die zahlreichen Fluchtversuche der DDR-Bürger zu erweitern. Unsere kulturellen Aktivitäten wurden durch Veranstaltungen wie das Konzert im Gleisdreieckpark und dem Flohmarkt im Mauerpark ergänzt. Als angehende Studenten in Deutschland nahmen wir an Studienberatungen in der technischen Universität und in der medizinischen Fakultät „Chariete“ teil, was uns einen guten Überblick über die Bewerbungsmöglichkeiten an den Berlinern Universitäten gab.

Zusammen mit den Kindern unserer Gastfamilie gingen wir zu einer der berühmtesten und beliebtesten Schulen Berlins, die Sophie-Scholl-Schule, und im Politikkurs der 12. und 13. Klasse hielten wir eine Präsentation über Bulgarien und die heutige soziale und politische Situation. Somit weckten wir in vielen deutschen Schülern ein Interesse an unserer reichen und alten Geschichte sowie an den Natur- und Kulturschönheiten Bulgariens.

An einem Tag besuchten wir das ehemalige KGB-Gefängnis in Potsdam und trafen die Zeitzeugin Frau Carla Ottmann.

Alexandra, Kristina, Anna mit Frau Ottmann

Alexandra, Kristina, Anna mit Frau Ottmann

 

 

 

 

 

 

 

Frau Hilliger und Frau Ottmann in Sofia (Dezember 2013)

Frau Hilliger und Frau Ottmann in Sofia (Dezember 2013)

Da wir alle von dem Gespräch mit ihr beeindruckt waren, fiel uns ein, ein Projekt über die SED-Vergangenheit an unserem Gymnasium zu organisieren. So besuchten Frau Ottmann, Frau Hilliger und ihr Sohn das Galabov-Gymnasium Ende 2013.

In zwei Veranstaltungen sprach Frau Ottmann mit den Klassen 12d, 12e, 11d und 11e über ihren Aufenthalt im DDR-Gefängnis. Dort verbrachte sie mehrere Jahre wegen Beihilfe zur Republikflucht. Ihre Schwester wollte damals einfach nur die kranken Eltern im Westen wiedersehen und bat sie um Hilfe. In den Gesprächen wurde die subtile Wirkung der Bespitzelung sehr deutlich.

Nach der Schulveranstaltung haben wir den deutschen Gästen unsere bulgarische Küche präsentiert sowie zahlreiche schöne Orte und Sehenswürdigkeiten Bulgariens besucht. Wir hoffen, auch Frau Hilliger und Frau Ottmann haben viel von der Geschichte und den Gebräuchen Bulgariens erfahren und fühlten sich so herzlich empfangen, wie wir uns in Deutschland bei ihnen.

Anna Kabanova (Klasse 12d)

 

 

 

 

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